Das Kandidatenporträt in der Schwäbischen Zeitung vom 19.9.2017. Von Roland Ray.

Martin Gerster auf dem Wochenmarkt in Bad Schussenried

Seit 2005 vertritt Martin Gerster den Wahlkreis Biberach im Deutschen Bundestag. Jetzt strebt der SPD-Abgeordnete seine vierte Wahlperiode an. Platz acht auf der Landesliste seiner Partei lässt den Wiedereinzug ins Parlament so gut wie sicher erscheinen. Trotz dieser komfortablen Ausgangslage sei er bis in die Haarspitzen motiviert und gewillt, um jede Stimme zu kämpfen, sagt der 46-Jährige, denn: „Ich mache mir große Sorgen.“

Sorgen zum einen um das Haus Europa, zum anderen „um unsere Demokratie“. Es treibe ihn um, sagt Gerster, dass Rechtspopulisten in etlichen Ländern Zulauf haben und „dass sich so viele anstecken lassen, Hetze und Hass Raum gewinnen“. Solchen Entwicklungen müsse man mit klarer Haltung entgegentreten und den unschätzbaren Wert von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit deutlich machen. „Wir brauchen soziale Gerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt“, fordert er. „Das macht uns stark, dafür stehe ich.“ Im Übrigen sei es von Vorteil, wenn nicht ausschließlich Abgeordnete einer Partei den Wahlkreis in den Parlamenten vertreten. Die Demokratie lebe vom politischen Ideenwettbewerb.

Flyer in sechs Versionen

Gerster betrachtet es als Wertschätzung seiner Arbeit, dass die Genossen in Baden-Württemberg ihn auf der Landesliste so weit vorn eingereiht haben. Auf Platz acht sei vor ihm noch kein Sozialdemokrat aus Oberschwaben gestanden. Auch im Wahlkreis Biberach verspüre er Rückenwind. Erstmals kann er mit 20 großformatigen Plakaten für sich werben; Bürger haben sie gesponsert. Seinen Flyer gibt es in sechs Versionen, abgestimmt auf Teilgebiete im Wahlkreis.

Lobende Worte hört Gerster, als er vorige Woche an Haustüren in Kleinwinnaden klingelt, sich vorstellt und rote Rosen verteilt. Die Menschen in dem Bad Schussenrieder Teilort honorieren offenkundig seinen Einsatz für die im November 2016 für den Verkehr freigegebene Ortsumfahrung. Die Jüngeren fragen unisono: „Wann bekommen wir schnelles Internet?“ Einer Krankenschwester, die im Pflegebereich „manches im Argen“ sieht, gibt Gerster Recht: Drei Pflegestärkungsgesetze habe der Bundestag verabschiedet, die Pflegestufen seien jetzt besser gegliedert, „aber das reicht noch nicht“.

Der SPD-Abgeordnete ist überzeugt: „Mein Mandat hat sich für den Wahlkreis Biberach ausgezahlt.“ An Beispielen, was nicht zuletzt dank seines Engagements erreicht worden sei, nennt er die Aufnahme der Ortsumfahrungen Ringschnait, Ochsenhausen, Erlenmoos, Edenbachen und Warthausen in den vordringlichen Bedarf, „obwohl vom CDU/CSU-geführten Bundesverkehrsministerium beziehungsweise vom Land zunächst zurückgestuft“, und Bundeszuschüsse in zweistelliger Millionenhöhe für diverse Projekte. Als Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags habe er mitgewirkt, die Ausstattung der Bundespolizei und im Rettungswesen zu verbessern.

Dem Haushaltsausschuss möchte Gerster auch künftig angehören. Das sei eine ebenso spannende wie verantwortungsvolle Aufgabe: „Wir entscheiden, wofür 320 Milliarden Euro Steuereinnahmen ausgegeben werden. Da werden Weichen gestellt.“ Gern wäre er in Sachen Etat weiter für den Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums zuständig, und damit für Themen wie innere Sicherheit, Migration, Katastrophenschutz und Bundespolizei.

Einsetzen will sich Gerster unter anderem für den Ausbau der Kinderbetreuung (Kitas, so die Forderung der SPD, sollen gebührenfrei sein), gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und die steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen. Das Asylrecht dürfe nicht angetastet werden. Parallel dazu – aber strikt getrennt – plädiert er für ein Einwanderungsgesetz. „Dann könnten wir besser steuern, wer kommen soll“, sagt er und denkt an den Fachkräftebedarf vieler Unternehmen. Mehr Stellen benötigten die Sicherheitskräfte im Land. Manche Bundespolizei-Standorte müssten derzeit mit der Hälfte des vorgegebenen Personals auskommen.

Für seinen Wahlkreis will Martin Gerster möglichst zügig eine bessere Breitbandversorgung erreichen; die vorhandenen Defizite seien in wachsendem Maß ein Wettbewerbsnachteil. Die Ortsumfahrungen entlang der Bundesstraße 312 müssten zügig geplant werden, ebenso der vierspurige Ausbau der B 30 südlich von Biberach. Gerster befürwortet das geplante Industriegebiet im Rißtal und will sich für die in Laupheim und Riedlingen projektierten Gesundheitszentren und einen barrierefreien Bahnhof in Bad Schussenried starkmachen.

Lebensstationen

Martin Gerster, aufgewachsen in Biberach, hat eine Redakteursausbildung bei Radio 7 absolviert und Politik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften studiert. Kurz vor dem Abitur trat er in die SPD ein; für seinen Vater, damals im Vorstand der Biberacher CDU, sei das „anfänglich schwierig“ gewesen. „In Biberach waren viele der Meinung, Demokratie heißt CDU wählen“, erzählt der Sohn. „Ich habe da ein anderes Verständnis, das hat mich motiviert.“ Bei der Präsidentschaftswahl 2000 in den USA und den Senatswahlen 2001 arbeitete er im Wahlkampfteam der Demokraten mit. Danach engagierte ihn die SPD-Landtagsfraktion als Referenten. Als der SPD-Abgeordnete Matthias Weisheit jäh verstarb, warf Gerster 2005 im Wahlkreis Biberach seinen Hut in den Ring und zog über die Landesliste auf Anhieb in den Bundestag ein. Gerster ist verheiratet und seit einem Jahr Vater.

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