Die Abgeordneten Stoch und Gerster sehen neue Chancen
In der Schwäbischen Zeitung Laupheim berichtete Axel Pries am 27. November:
Begrüßte die Teilnehmer: MdB Martin Gerster am Mikrofon, flankiert von OB Kapellen (l.), MdL Andreas Stoch und dem SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Robert Kreklau (r.) . Foto: Oliver Hofmann
Laupheim – „Es ist eine außerordentliche Woche,“ sagt Andreas Stoch. „Dieser Politische Martini hat es in sich“, stellt auch Martin Gerster fest. Was der SPD-Landtagsabgeordnete und der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete meinen: Die gescheiterte Regierungsfindung in Berlin wirft ihre Schatten bis in die Veranstaltung, zu der Gerster und der SPD-Ortsverein Laupheim am Samstag eingeladen hatten. Und beide Abgeordneten ließen dabei durchblicken: Vielleicht gibt es in Deutschland doch noch eine Große Koalition mit der SPD.
Gut 30 Laupheimer SPD-Mitglieder nahmen an der inzwischen traditionellen Veranstaltung im Gasthaus Gartenheim teil, bei der der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag und frühere baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch als Hauptredner auftrat. Der Tenor seiner Ansprache über die aktuelle Befindlichkeit der SPD schwankte zwischen Verständnislosigkeit für zu Unrecht verlorene Wählerstimmen und kämpferischer Aufbruchstimmung in einem historischen Moment – durch Chancen, die der Partei zuvor nicht gewährt worden seien.
Von einem „historisch schlechten Ergebnis“ für die SPD bei der jüngsten Bundestagswahl sprach auch Martin Gerster in seiner Begrüßungsansprache, in der er auch den Laupheimer Oberbürgermeister Rainer Kapellen als traditionellen Gast willkommen hieß. Seit der Wahl hätten sich in Berlin „turbulente Zeiten“ entwickelt – auch durch den Einzug der AfD in den Bundestag. Im höchsten deutschen Parlament herrsche seither „ein unglaublich rauer, harter Ton“. Es habe sich in Laupheim auch viel getan, seit Andreas Stoch zuletzt Gast war, stellte OB Kapellen in Grußworten fest: Während die Bevölkerungszahl in den vier Jahren um 2000 auf nunmehr 22 000 gewachsen sei, sei die Verschuldung trotz zahlreicher Investitionen geschrumpft.
„Ein Nein aus Prinzip wird dir nicht gedankt.“ Mit diesen Worten ging Andreas Stoch auf die politische Situation und die Entscheidung ein, vor der die SPD in Berlin stehe.
„Politik auf dem kleinsten Nenner.“
Zuvor hatte er der grün-schwarzen Regierung in Stuttgart ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Dort funktioniere die Zusammenarbeit zweier Parteien mit „diametral unterschiedlichen Positionen“ nur, weil jede in ihrem Ressort die jeweiligen Prestige-Projekte verfolge, ohne dass es übergreifende Zusammenarbeit gebe. Deshalb würden große Themen in Bereichen wie Bildung und Kinderbetreuung ausgespart, die aktuell eigentlich angepackt werden müssten – zumal die Regierung finanziell einen Überschuss von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung habe. Mit dem Geld würden vor allem „Konfliktgräben“ zugeschüttet, ansonsten geschehe lediglich „Politik auf dem kleinsten Nenner“.
Eine ähnliche Entwicklung hätte auch eine mühsam gebildete Jamaika-Regierung genommen, vermutete Stoch und unterstellte dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, dass er nie wirklich Interesse an Verantwortung in der Bundesregierung gehabt habe. Es sei grotesk, dass Lindner nun in konservativen Medien „als Held gefeiert“ werde. Unverständlich sei auch, dass dabei zugleich die SPD dafür gescholten werde, dass sie die Fortführung der Großen Koalition nach der Wahlschlappe abgelehnt hatte. „Vier Wochen Verdummung mit Inszenierung auf dem Balkon“, unkte Andreas Stoch, „das kann man doch nicht uns anlasten.“
Aber er habe sich seinerzeit bereits überlegt, ob der Gedanke realistisch ist, dass die SPD sich mit dem „Nein“ raushalten kann. Und nun müsse man überlegen, ob nicht ganz neue Bedingungen gelten, der Moment nicht günstig sei für die Sozialdemokraten. Auch wenn niemand „so richtig Lust auf die Groko“ habe: „Im Moment sind alle Scheinwerfer auf die SPD gerichtet“, stellte Stoch fest und schloss: „Jetzt müssen die Punkte auf den Tisch, die der SPD wichtig sind.“ Nämlich jene Inhalte, die im Wahlkampf beim Wahlvolk nicht wahrgenommen worden seien. Auch Martin Gerster erklärte, dass er weder ein Freund einer Minderheitsregierung noch einer Großen Koalition sei, doch beides Neuwahlen vorzuziehen sei, die nur den anderen Parteien nützen würden. Sein Schluss: „Vom kategorischen Nein muss man abrücken.“ Andreas Stoch sah noch einen Grund für ein Umdenken in der SPD bei der Regierungsbeteiligung: „Es gibt viele Menschen im Land, die uns brauchen.“
Ingo Bergmann: „Wo wollen wir hin?“
Er war nur kurz dabei, freute sich aber über regen Beifall und nutzte die Gelegenheit für eine Stellungnahme zu seinem Wahlkampf: Der von der SPD unterstützte OB-Kandidat Ingo Bergmann erklärte beim Politischen Martini, dass er nun in die Phase eintrete, in der er ebenfalls Infoabende veranstalten werde. Bisher habe er viele andere Termine gehabt: „Für mich war es wichtig, mit den Leuten zu sprechen.“ Seine Erkenntnis daraus: Laupheim sei „eine tolle Stadt“, in der allerdings ein Konzept für die Zukunft fehle. Stattdessen werde vor allem „hier und da etwas gemacht“. Er wolle sich mit Institutionen zusammen setzen und feststellen: „Wo wollen wir hin?“ Sprach’s und entschwand zum gerade laufenden Handballspiel.
„Einfach klasse“: Ehrungen für zwei Laupeimer Einrichtungen
„Es ist einfach klasse, was Sie machen!“ Mit diesen Worten lobte der Bundestagsabgeordnete Martin Gerster zwei Laupheimer Einrichtungen bei traditionellen Ehrungen für soziales Engagement beim Politischen Martini. Stellvertretend überreichte er Gutscheine und Urkunden an Cornelia Gensch und Sigrun Gretzinger von der Behinderten-Sportgruppe im TSV Laupheim sowie an Silvia Brehm und Jutta Schmechtig vom Asylcafé des Kümmererkreises Laupheim. Gerster schloss: „Da können wir nur wünschen: Weiter so!“
Auszeichnung für soziales Engagement: (v.l.) der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Robert Kreklau, Silvia Brehm, Jutta Schmechtig, Martin Gerster, Sigrun Gretzinger und Cornelia Gensch. Foto: Oliver Hofmann