In der Schwäbischen Zeitung Biberach berichtete Gerd Mägerle am 20. Januar:

Bundesjustizministerin zeigt sich beim SPD-Neujahrsempfang als Anpackerin

Einen „Taktstock“ aus kleinen Schokoladentafeln überreichte SPD-Kreisvorsitzender Martin Gerster der Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. (Foto: Wolfgang Heinzel)

Schluss mit parteiinternen Personaldebatten, zurück zur Arbeit an den Themen, die die Bürger umtreiben – mit dieser Botschaft hat sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht beim Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands Biberach am Samstagabend in der Stadthalle präsentiert. Von Verbraucherschutz, Bonpflicht bis hin zum Kampf gegen rechte Hetze reichte dabei das Themenspektrum.

Es ist ziemlich genau drei Jahre her, da platzte der Hans-Liebherr-Saal der Biberacher Stadthalle beim Neujahrsempfang der Kreis-SPD mit dem damaligen Bundestagsfraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann aus allen Nähten. Martin Schulz war kurz zuvor zum SPD-Kanzlerkandidaten gekürt worden, und die Genossen surften auf einer Euphoriewelle. Stündlich gewinne die SPD auch im Landkreis neue Mitglieder, frohlockte der hiesige Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Martin Gerster seinerzeit.

Und heute? Die etwa 90 Besucher füllen den Liebherr-Saal nur gut zur Hälfte, und das, obwohl eine SPD-Bundesministerin sich die Ehre gibt. Fairerweise muss man den Genossen zugestehen, dass sie an diesem Samstagabend Konkurrenz durch viele andere Veranstaltungen haben. Trotzdem redet auch Christine Lambrecht, seit Juni 2019 Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, nicht lange um den Brei herum. „Wann kehrt ihr endlich wieder zur Sacharbeit zurück?“, sei eine der Fragen, die sie derzeit am häufigsten höre, sagt die 54-Jährige aus Viernheim (Bergstraße). „Man hat schon den Eindruck gewinnen können, als gehe es bei der SPD nur um Personen“, sagt sie mit Blick auf das lange Auswahlverfahren für die neue Parteispitze.

Dabei habe die Sacharbeit nie geruht. Durch die SPD seien viele Entscheidungen zum Wohl der Bürger getroffen worden und Lambrecht beginnt mit einer langen Aufzählung: Klimaschutzpaket mit Kohleausstieg und Ausbau der erneuerbaren Energien, Gute-Kita-Gesetz, Wiederherstellung der Parität zwischen Arbeitgeber und -nehmer bei den Krankenversicherungsbeiträgen, Abbau des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Steuerzahler (Lambrecht: „Dass die gut verdienenden zehn Prozent ihn weiter bezahlen, halte ich für ziemlich gerecht“), Entlastung der Angehörigen bei den Pflegekosten und Verlängerung der Mietpreisbremse. „Es lohnt sich, in dieser Regierung weiterzukämpfen“, so Lambrechts Fazit.

Als wichtige Projekte der nächsten Monate nennt sie die Einführung der Grundrente sowie die Reduzierung befristeter Beschäftigungsverhältnisse auf das Notwendige, wobei die Ministerin in Biberach offen lässt, wie sie „das Notwendige“ definiert.

Auch in ihren Ressorts Justiz und Verbraucherschutz will sich Lambrecht als Anpackerin beweisen. So soll ein Gesetz für faire Verbraucherverträge kommen, das es erleichtert, Handy- oder Fitnessstudioverträge schneller zu wechseln. Außerdem will sie die Rechte der Verbraucher stärken, um windige Vertragsabschlüsse am Telefon zu verhindern.

Mit einem Paket an Maßnahmen will die Ministerin gegen rechte Hetze im Internet vorgehen. „Wer meint, er müsse mal Dampf ablassen, soll Sport treiben oder Holz hacken, aber aufhören, andere zu beleidigen“, so Lambrecht. Provider sollen Morddrohungen oder Volksverhetzungen künftig ans BKA melden müssen. „Dafür schaffen wir dort 300 neue Stellen“, so die Ministerin. Auch Beleidigungen und Hetze gegenüber Kommunalpolitikern und Ehrenamtlichen sollen schärfer sanktioniert werden. Bevor jemand einen Waffenschein bekomme, müsse es eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz geben. „Wir müssen wieder deutlich machen, wer in diesem Land das Gewaltmonopol hat“, sagt Lambrecht.

In der Diskussion spricht sich die Ministerin unter anderem für die Bonpflicht aus, weil es darum gehe, Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Allerdings stamme dieses Gesetz nicht von der SPD, sondern vom früheren CDU-Finanzminister Schäuble. „Seit 2016 war genügend Zeit, um fälschungssichere Kassensysteme zu entwickeln, die ohne Bons auskommen“, so Lambrecht. Das sei leider nicht geschehen, „deshalb haben wir jetzt die Bons“.

Für die Stadt Biberach sprach der Erste Bürgermeister Ralf Miller ein Grußwort. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von der Musikgruppe Biberkings der Bruno-Frey-Musikschule und der Schwarzbachschule sowie von der jungen Poetry-Slammerin Sophia Lorenz, die ihrer Generation in ihrem Text „Nervenkostüm“ empfahl, sich nicht durch andere klein machen zu lassen. Das passte irgendwie auch zur Stimmung in der Kreis-SPD an diesem Abend. „Die SPD wird gebraucht. Wir kämpfen weiter!“, appellierte Martin Gerster an seine oberschwäbischen Genossen.